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Geschrieben von: Administrator   
Sonntag, den 24. Juli 2011 um 14:55 Uhr
Tischtennis-Star Timo Boll
"Wenn du zitterst, kannst du nicht gewinnen"
Tischtennis-Ass Timo Boll: "Berühmtsein kann anstrengend sein"
Timo Boll, 30, ist ein Tischtennis-Ass. In Deutschland kennen ihn nicht so viele, in China wird er von Millionen verehrt. Im Interview mit den Kinderreportern Aennie, 13, und Leonard, 12, spricht der Sportler über Ehrgeiz, Angstgegner China und seine weiblichen Fans.

"Dein SPIEGEL": Timo, hast du früher vor Wut geheult, wenn du beim Rundlauf verloren hast?

Timo Boll: Natürlich. Wer verliert schon gerne? Früher kam es öfter vor, dass ich nach einer Niederlage heftig geweint oder meinen Schläger zertrümmert habe. Ich war schon als Kind sehr ehrgeizig.

"Dein SPIEGEL": Du hast aber den Ruf, etwas faul zu sein. Stimmt das?

Timo Boll: Was? Ich habe schon mit vier Jahren trainiert, da konnte ich gerade so über die Platte gucken. Ich habe täglich mit meinem Vater gespielt - spätabends sogar im Schlafanzug. Wahr ist: Ich war viel fleißiger als meine Klassenkameraden, aber ein bisschen bequemer als andere Leistungssportler.

"Dein SPIEGEL": Was, wenn nicht ein Tischtennis-Profi, hätte aus dir werden können?

Timo Boll: Banker. Diese schnieken Herren in ihren feinen schwarzen Anzügen haben mich als Kind immer sehr beeindruckt.

"Dein SPIEGEL": Welchen Einfluss hatten deine Eltern auf deine Karriere?

Timo Boll: Mein Vater war nicht nur mein privater Trainingspartner, er hat mich auch täglich 120 Kilometer zum Training und wieder zurück chauffiert. Ohne die Hilfe meiner Eltern hätte ich es nie geschafft.

"Dein SPIEGEL": Das Gymnasium hast du abgebrochen. Bereust du, dass du nicht mehr gelernt hast?

Timo Boll: Mit 16 habe ich mich gefragt: Willst du die Schule fertig machen oder so gut Tischtennis spielen, dass du Profi werden kannst? Ich denke, ich habe die richtige Entscheidung getroffen.

"Dein SPIEGEL": Die Chinesen sind im Tischtennis eine Weltmacht. Was machen sie besser als die Deutschen?

Timo Boll: Die Chinesen trainieren schon als kleine Kinder voll professionell: zwei-, drei-mal am Tag. In Deutschland geht das sehr viel später los.

"Dein SPIEGEL": Stimmt es, dass für die größten Stars der Chinesen Trainingspartner abkommandiert werden, die deine Spielweise kopieren?

Timo Boll: Mich kann man nicht klonen. Aber die Chinesen versuchen, sich optimal auf mein Spiel vorzubereiten: Sie filmen meine Partien und zerlegen hinterher jeden Spielzug. Sie entwerfen am Computer Strategien, mit denen sie mich besiegen wollen. Und die besten chinesischen Spieler haben in der Tat Trainingspartner, die zumindest versuchen, meinen Stil und meine Bewegungsabläufe zu imitieren.

"Dein SPIEGEL": Wer hat mehr Angst? Du vor den Chinesen oder die Chinesen vor dir?

Timo Boll: Wir haben keine Angst, aber großen Respekt voreinander. Es macht unheimlich viel Spaß, gegen die Chinesen zu spielen: Sie fordern mich, decken jede Schwäche auf und wissen, wie sie mich festnageln können. Trotzdem schlage ich sie oft.

"Dein SPIEGEL": In Deutschland ist Tischtennis eine Randsportart - in China bist du ein Star. Kannst du dort unerkannt durch die Straßen laufen?

Timo Boll: Unmöglich. In China bringt mich die Polizei ins Hotel, und ich habe ständig Bodyguards dabei.

"Dein SPIEGEL": Schon mal überlegt auszuwandern?

Timo Boll: So weit geht die Liebe nicht. Ich hänge sehr an meiner Heimat, meiner Familie und meinen Freunden. Aber China ist ein reizvolles Land. Ich habe viele Freunde dort - und noch mehr Fans. Natürlich genieße ich das. Aber ich bin ein bodenständiger Typ, Berühmtsein kann ganz schön anstrengend sein.

"Dein SPIEGEL": 2007 haben dich die Chinesen sogar zum attraktivsten Sportler der Welt gewählt - vor David Beckham. Zu Recht?

Timo Boll: Es ehrt mich, wenn die Chinesinnen mich hübsch finden. Aber Theater um meine Person ist mir grundsätzlich peinlich. Ich halte mich nicht für den schärfsten Sportler der Welt.

"Dein SPIEGEL": Wenn du auftauchst, fangen auch in Japan die Mädchen an, hysterisch zu kreischen. Ist deine Frau eifersüchtig?

Timo Boll: Ich glaube nicht. Wir sind schon sehr lange verheiratet. Sie weiß, dass sie mir vertrauen kann.

"Dein SPIEGEL": Du hast schon mehrere Wochen in China verbracht und für den Club Zhejiang Hongxiang sogar zehn Spiele in der dortigen Liga absolviert. Kannst du Chinesisch?

Timo Boll: Die Sprache reizt mich sehr - deshalb nehme ich seit einem halben Jahr Privatunterricht. Aber es geht nicht so gut voran - Chinesisch ist wirklich eine sehr schwere Sprache.

"Dein SPIEGEL": Wie schnell war dein schnellster Schmetterball?

Timo Boll: 140 km/h, das ist schon gewaltig. Wenn man bei dieser Geschwindigkeit nicht schon vorher weiß, wohin der Ball geht, dann fliegt der einem um die Ohren. Da bleibt dir keine Zeit zu überlegen, du musst alles automatisch richtig machen.

"Dein SPIEGEL": Kann man eigentlich vom Tischtennisspielen reich werden?

Timo Boll: Wir schwimmen nicht im Geld wie Fußballer oder Golfer. Aber beschweren will ich mich nicht: Meine Frau, mein Kater, mein Hund und ich können von meinen Einnahmen sehr gut leben.

"Dein SPIEGEL": Was unterscheidet einen guten von einem sehr guten Spieler?

Timo Boll: Der Tunnelblick. Ein sehr guter Spieler kann alles, was um ihn herum passiert, ausschalten. Er konzentriert sich nur auf sein Spiel. Talent, Fitness, Disziplin - das alles nützt nichts, wenn man keine starken Nerven hat. Mit zittriger Hand gewinnt man kein Spiel. Außerdem ist ein sehr guter Spieler bereit, sich auch über die Schmerzgrenze hinaus zu quälen.

"Dein SPIEGEL": Du hast den Fairplay-Preis bekommen, weil du einen Schiedsrichter auf eine Fehlentscheidung zu deinen Ungunsten hingewiesen hast. Daraufhin hast du das Spiel verloren. Bist du zu nett?

 Timo Boll: Ich glaube, hätte ich die Entscheidung nicht korrigiert und das Spiel dann gewonnen, ich hätte mich gar nicht richtig gefreut. Dann verliere ich doch lieber.

"Dein SPIEGEL": Hat sich dein Gegenspieler danach bedankt?

Timo Boll: Nein. Man kriegt im Leben nicht alles zurück. Aber das bessere Gefühl war es wert.