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Tischtennis: Die chinesische Mauer bekommt keine Risse

07.08.2012 | 17:52 |  Von Christoph Gastinger (Die Presse)

China präsentiert sich abermals als unschlagbare Großmacht. Ein Ende der Dominanz ist nicht absehbar, dabei sehnt man sich nach Konkurrenz. Der letzte nicht-chinesische Weltmeister war Werner Schlager 2003.

Nach dem Matchball zeigte Wang Hao keinerlei Regung. Er ist es mittlerweile gewohnt, ein olympisches Tischtennis-Finale zu verlieren. 2004, in seinem ersten Spiel um Gold, erlebte er die größte aller Enttäuschungen. Er war nicht an einem seiner Landsmänner gescheitert. Nein, er unterlag einem Koreaner.

2008 und 2012 war zumindest wieder die chinesische Welt in Ordnung. Wang Hao unterlag Ma Lin respektive Zhang Jike. Der größte aller Titel blieb dem 28-Jährigen bislang verwehrt, und doch hat Wang Hao Unglaubliches vollbracht. Drei Mal in Folge die Übermacht China im Tischtennis-Einzel vertreten zu dürfen, ist eine Leistung für sich.

Brutale Auslese

Sein Bezwinger aus Peking, Ma Lin, hatte es als Weltranglisten–Sechster erst gar nicht in das Einzel-Aufgebot geschafft, teilte dieses Schicksal mit Ma Long. Dieser, in den vergangen zwölf Monaten der beste Spieler der Welt, war deshalb nicht startberechtigt, weil der Stichtag für die Vergabe der Olympia-Tickets mehr als ein Jahr zurückliegt.

Pro Nation waren in London nur noch zwei Einzelspieler zugelassen, Bronze wurde demnach, anders als noch in Peking, unter dem „Rest der Welt“ ausgespielt. Ma Long hätte in London für jedes andere Land antreten können – und hätte im Kampf um Gold definitiv seinen Schläger im Spiel gehabt. Die Konkurrenz im Land des „Pingpong“ ist gewaltig. Sechs der besten zehn Spieler der Welt kommen aus China, den ersten Nicht-Chinesen findet man auf Rang fünf. Auch bei den Damen (fünf Chinesinnen unter den Top 10) sucht die Breite in der Spitze ihresgleichen. Passiert kein Tischtennis-Wunder, wird „der ewige Zweite“ Wang Hao dennoch mit einer Goldmedaille um den Hals die Heimreise antreten.

„Sie werden alles gewinnen“

Im Teambewerb ist China praktisch konkurrenzlos, wird Gold schon vor dem ersten Ballwechsel vergeben. Schon der Matchgewinn von Timo Boll gegen Olympiasieger Zhang Jike bei Deutschlands 1:3-Niederlage im Halbfinale war mehr als ein Achtungserfolg.

„Sie haben keine Schwachstellen. Du kannst nur versuchen, dass es möglichst lange knapp zugeht und darauf hoffen, dass sie nervös werden“, erklärte Boll, in den vergangenen Jahren einer der konsequentesten Herausforderer der chinesischen Elite. Im Finale am Mittwoch stellt sich Korea an die Platte. Eine Überraschung wird von Experten kategorisch ausgeschlossen. Deutschlands Bundestrainer Jörg Rosskopf, einst selbst Weltklasse,  sieht kein Ende der chinesischen Dominanz. „Die aktuell besten Chinesen sind erst 23, 24 Jahre alt. Sie werden in Zukunft alles gewinnen.“

In China nimmt man die Erfolge der eigenen Stars zwar wohlwollend zur Kenntnis, dennoch sehnt sich der gemeine Fan nach stärkerer Konkurrenz aus dem Ausland. Der letzte nicht-chinesische Weltmeister war Werner Schlager 2003. Tischtennis ist in China zwar nach wie vor die beliebteste aller Sportarten – über 100 Millionen Menschen spielen selbst –, verliert aber zunehmend an Reiz. „Die Chinesen wünschen sich, von den Europäern mehr gefordert zu werden“, sagt ein chinesischer Journalist. Ein Wunsch, der so schnell nicht in Erfüllung gehen wird.